Nicht wie, sondern wer

Die Sonne blendete mich. Ich saß im kleinen Park vor meiner Haustür. Mit zugekniffenen Augen versuchte ich auf meinem Computer einen halbwegs brauchbaren Satz zu formen. Doch wo ein Wille, da nicht immer ein Weg. Ich ließ meinen Blick schweifen. Die Wiese war rund, das Gras war grün und der Fußweg drumherum staubig. In den Bäumen über mir zwitscherten Vögel. Eine Frau joggte durch das eine Tor rein und durch das andere raus. Der Sand knirschte unter ihren Schuhen.

Dann sah ich einen Mann sein Fahrrad in den Park schieben. Er stellte es auf die Wiese, ging zurück zum Tor, steckte seine Hände in die Taschen, zog sie wieder raus, steckte sie erneut rein. Eine rote Fahne wackelte über der Hecke. Ein kleiner Junge schob sein Fahrrad neben das des Vaters, es glänzte. Er atmete schnell, fiel fast hin, als er den schwergängigen Ständer versuchte mit einem Fuß aufzuklappen. Dann entdeckte er etwas auf dem Boden. Das Fahrrad fiel um. »Schau mal, Papi. Eine Eichel«, sagte der Junge, als hätte die Eichel seine Anstrengung in Kraft verwandelt. »Lass das liegen, Mikel, komm, wir wollen heute Fahrrad fahren.« Nach zwei weiteren Ermahnungen des Vaters verstaute der Junge den Schatz in seiner kleinen Hosentasche. Seine Augen suchten weiter.

»Mikel, hier spielt die Musik«, sagte er, zog sein Bein übers Rad, drehte eine Pedale nach oben und erklärte, dass man nur mit Schwung in die Pedale treten müsse, und schon würde es wie von allein klappen. »Je schneller du am Anfang loskommst, umso leichter ist es, Mik«, sagte er. Mikel hielt seinen Lenker in beiden Händen, der Vater beugte sich runter und drehte ihm eine Pedale nach oben, griff den rechten Fuß seines Sohnes, stellte ihn auf die Pedale. »Und jetzt: Treten!«, rief er und gab seinem Sohn einen Schubser am Rücken. Das kleine Fahrrad machte einen Satz, kam ins Straucheln, Mikel sah aus, als würde der Boden vor ihm Feuer fangen. Mit ausgestreckten Beinen versuchte er das Gleichgewicht zu halten. Dann fiel er hin. Der Lenker verdrehte sich. Die Knie waren rot, der Vater pustete, streichelte den Sand ab, sagte »Halb so wild« und stellte alles wieder auf Anfang. Die Sonne trocknete Mikels feuchte Augen. Er stieg wieder rauf. Der Vater hielt ihn dieses Mal fest, rannte breitbeinig hinter ihm her, drehte mit ihm eine ganze Runde um die Wiese. Wollte ihn gerade loslassen, da zog Mikel die Handbremse. Mikel stieg ab, hockte sich hin. Der Helm spannte an seinem Kinn. Mit einem kleinen Stock blieb er ruhig am Rand des Weges sitzen, sprang plötzlich auf und hielt es in die Höhe. »Schau mal, Papi, eine Ameise.« Der Vater nickte seinem Sohn zu, versuchte vergeblich zu lächeln, vor seinen Lippen hielt er sein Handy: »Es läuft gut. Heute schaffen wir es. Wird langsam Zeit. Was machst du gerade, Schatz?« Er steckte das Handy weg.

»Komm Mikel, wir probieren es noch mal«, sagte der Mann.
»Nö«, sagte Mikel, jetzt mit zwei Stöckchen am Ameisenloch beschäftigt.
»Doch, steh auf!«, sagte der Vater. Mikel schwieg. Der Vater schob sein Fahrrad wieder auf die Wiese und wollte seinen Sohn gerade unter den Schultern packen; da war der Junge schon aufgesprungen und zum anderen Ende der Wiese gelaufen. Nach zwei Sprints, in denen der Vater erst noch zu lachen schien, kippte die Stimmung. »Dann rufe ich Mama jetzt an, dass sie deine Geschenke zurückbringen soll, Mikel.«
»Mach doch«, sagte der Junge.

Plötzlich schlitterte ein Mountainbike durch den Eingang. Ein Junge, vielleicht 3 Jahre älter als Mikel, schoss um die Wiese. In jeder Kurve zog er die Hinterradbremse.
»Fährst du auch Fahrrad?«, fragte der große Junge, als er neben Mikel anhielt.
»Kann ich nicht«, sagte Mikel.
»Hä? Wieso? Ist doch einfach«, sagte der Junge, »Du musst nur eine Pedale so hoch machen, hier so, guck, und dann voll reintreten. Das geht am leichtesten.« Der Junge machte einen Satz nach vorne und sagte »Jetzt du!«
Mikel stieg auf sein Fahrrad und fuhr los, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

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